Was ist ein Notfall?
Festnahme: Sie oder eine andere Person werden oder wurden in diesem Moment festgenommen
Durchsuchung: Es sollen Ihre Wohn- oder Geschäftsräume durchsucht werden

Was müssen Sie tun?
1. Schweigen: geben Sie Ihre Personalien an, machen Sie aber keine Angaben zum Sachverhalt oder zu Ihrer Person
2. Nichts unterschreiben
3. Notrufnummer wählen: 0163 53 48 012

Strafverteidiger und Fachanwälte für Strafrecht in Frankfurt am Main.

Aussage-gegen-Aussage – wann reicht das für eine Verurteilung?

In Strafverfahren gibt es oft keine objektiven Beweise wie DNA-Spuren, Fotos oder Videoaufnahmen. Besonders häufig tritt dieses Problem in Verfahren wegen Sexualdelikten, wie Vergewaltigung oder sexueller Belästigung, aber auch bei Körperverletzung oder Bedrohung auf, da es meist außer dem vermeintlichen Opfer keine weiteren Zeugen gibt. In solchen Fällen stützen sich Gerichte allein auf die Aussagen der Beteiligten – die des mutmaßlichen Opfers und des Beschuldigten. Das wird als Aussage-gegen-Aussage-Konstellation bezeichnet. Doch wann reicht eine solche Konstellation für eine Verurteilung aus?

Ausgangslage: Eine Konfrontation ohne objektive Beweise

In einer Aussage-gegen-Aussage-Situation behauptet eine Person, Opfer einer Straftat geworden zu sein, während die andere Person die Tat bestreitet oder eine alternative Version der Geschehnisse schildert. Rein theoretisch scheint es sich hierbei um eine „Patt-Situation“ zu handeln – eine Version steht gegen die andere.

Allerdings bedeutet das nicht, dass automatisch im Zweifel für den Angeklagten („in dubio pro reo“) entschieden wird. Die Gerichte haben Leitlinien entwickelt, nach denen sie die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage bewerten und an denen der Bundesgerichtshof in Revisionsverfahren die Urteile misst. Eine Verurteilung ist also durchaus möglich, wenn das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage überzeugt ist.

Unterschieden werden muss zudem zwischen echten Aussage-gegen-Aussage-Situationen, in denen keinerlei zusätzliche Beweise existieren, und Fällen, in denen etwa Nachrichtenverläufe, medizinische Gutachten oder weitere Indizien die Aussage einer Partei stützen. Je mehr solche Zusatzbeweise vorliegen, desto weniger greift die reine Aussage-gegen-Aussage-Bewertung.

Die Kriterien der Rechtsprechung zur Glaubwürdigkeitsprüfung

Damit eine belastende Aussage für eine Verurteilung ausreicht, muss das Gericht eine besonders sorgfältige Prüfung vornehmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dafür verschiedene Kriterien aufgestellt, die Gerichte berücksichtigen müssen. Zu den wichtigsten Kriterien zählen:

Detailliertheit und Schlüssigkeit der Aussage
Eine glaubhafte Aussage ist logisch aufgebaut, enthält viele Details und bleibt über verschiedene Befragungen hinweg konsistent. Widersprüche, Erinnerungslücken oder nachträgliche Ergänzungen können Zweifel an der Glaubhaftigkeit wecken.

Entstehungsgeschichte der Aussage
Entscheidend ist, unter welchen Umständen die belastende Aussage zustande gekommen ist. Hat die anzeigende Person die Tat spontan und unmittelbar nach dem Geschehen geschildert oder wurde sie erst nach Wochen oder Monaten vorgebracht? Hat sich die Schilderung erst im Laufe mehrerer Vernehmungen „entwickelt“?

Aussagemotive
Bestehen denkbare Motive für eine Falschbelastung, etwa aus persönlichen, finanziellen oder emotionalen Gründen? Gerade in familienrechtlichen oder beruflichen Konflikten ist nicht auszuschließen, dass eine Aussage strategisch genutzt wird.

Erinnerungsvermögen des Zeugen
Menschen erinnern sich unterschiedlich an Geschehnisse. Doch eine glaubhafte Aussage ist in sich stimmig, weicht nicht erheblich von früheren Aussagen ab und zeigt keine übermäßige Beeinflussbarkeit durch äußere Umstände.

Verhalten des Zeugen
Auch das Verhalten eines Belastungszeugen vor, während und nach der angeblichen Tat kann Aufschluss über die Glaubwürdigkeit geben. Eine übertriebene emotionale Reaktion oder auffällige Veränderungen in der Aussageführung können Zweifel hervorrufen.

Diese Kriterien führen dazu, dass Gerichte selbst bei einer Aussage-gegen-Aussage-Situation nicht blind dem Prinzip „50:50“ folgen, sondern gezielt nach Indizien suchen, die die Glaubhaftigkeit der einen oder anderen Version stützen.

Jetzt beraten lassen

Nur der Verteidiger, der diese Kriterien kennt und den Umgang damit beherrscht, wird einen Zeugen so konfrontieren und befragen können, dass Schwächen der Aussage aufgedeckt werden und ein Gericht überzeugen können. Wir verfügen nicht nur über das nötige Fachwissen, sondern auch eine Jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet der Aussagepsychologie. Mit dieser Kompetenz stehen wir auch Ihnen zur Seite.

Das Problem der „freien richterlichen Überzeugung“

Das deutsche Strafrecht basiert auf dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO). Das bedeutet, dass das Gericht nach seinem „eigenen Eindruck“ über die Glaubhaftigkeit einer Aussage entscheidet. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eine Verurteilung bereits dann erfolgen kann, wenn „ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit“ besteht.

Diese Formulierung ist jedoch problematisch. Denn was bedeutet „ausreichende Sicherheit“? Sie öffnet Tür und Tor für subjektive Einschätzungen, die auf Bauchgefühl oder vermeintlicher Menschenkenntnis basieren. Dies ist ein Einfallstor für Fehlurteile – insbesondere, wenn Richter sich selbst als ausreichend kompetent betrachten, ohne auf wissenschaftlich fundierte Methoden der Aussagepsychologie zurückzugreifen.

Fehlerquellen und Risiken in Aussage-gegen-Aussage-Verfahren

Ein wesentliches Problem in diesen Verfahren ist, dass es keine absolut objektiven Kriterien gibt, die eine falsche von einer wahren Aussage zuverlässig unterscheiden können. Gerade in emotional aufgeladenen Prozessen können psychologische Verzerrungen auftreten, die sowohl Zeugen als auch Richter beeinflussen:

• Bestätigungsfehler: Ermittler und Richter neigen dazu, einmal angenommene Verdächtigungen zu bestätigen, anstatt sie ergebnisoffen zu prüfen.

• Erinnerungsverzerrung: Auch wahrheitsgemäß aussagende Zeugen können sich falsch erinnern, insbesondere wenn sie durch Fragen in eine bestimmte Richtung gelenkt wurden.

• Falsche Sicherheit durch frühere Aussagen: Wenn eine belastende Aussage von Beginn an als glaubhaft angesehen wurde, kann sie später oft nur schwer hinterfragt werden.

All diese Faktoren machen die Beweiswürdigung in solchen Verfahren extrem anfällig für Fehler.

Die Rolle des Strafverteidigers in Aussage-gegen-Aussage-Verfahren

In einem Verfahren, das sich ausschließlich auf widersprüchliche Aussagen stützt, kommt der Verteidigung eine besonders wichtige Aufgabe zu. Der Strafverteidiger muss gezielt die Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage hinterfragen und kritische Punkte aufzeigen. Dazu gehören:

• Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten

Ein Verteidiger kann die Hinzuziehung eines forensisch-psychologischen Sachverständigen beantragen, um die belastende Aussage fachlich überprüfen zu lassen. Da Gerichte solche Anträge oft mit der Begründung ablehnen, selbst in der Lage zu sein, Aussagen zu bewerten, muss hier besonders strategisch argumentiert werden.

• Konfrontation des Zeugen mit Widersprüchen

In der Hauptverhandlung wird der Belastungszeuge gezielt zu seinen früheren Aussagen befragt. Je mehr Widersprüche oder Erinnerungslücken auftauchen, desto größer die Zweifel an der Glaubwürdigkeit.

• Aufzeigen alternativer Erklärungen

In vielen Fällen gibt es alternative Erklärungen für die Vorwürfe. Der Verteidiger kann aufzeigen, dass die belastende Aussage möglicherweise auf Missverständnissen, fehlerhaften Erinnerungen oder gar gezielter Falschbelastung basiert.

• Strategischer Umgang mit Beweisanträgen

Da die Verteidigung die einzige Instanz ist, die entlastende Beweise aktiv einbringen kann, ist es essenziell, alle Möglichkeiten auszuschöpfen – etwa durch die Sicherung digitaler Beweismittel, Zeugenvernehmungen oder Gegengutachten.

Ein Freispruch ist nicht garantiert

Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation automatisch ein Freispruch erfolgt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Gerichte legen strenge Maßstäbe an die Bewertung von Zeugenaussagen an, die nicht immer wissenschaftlich fundiert sind. Fehlurteile sind daher keine Seltenheit.

Eine professionelle Verteidigung ist unerlässlich, um die oft fehleranfälligen Würdigungen der Gerichte kritisch zu hinterfragen, eine faire Behandlung des Beschuldigten sicherzustellen und letztlich einen Freispruch zu erreichen. In solchen Verfahren geht es nicht nur um juristische Argumentation, sondern auch um tiefgehende Kenntnisse in der Aussagepsychologie – eine Expertise, die längst nicht jeder Jurist beherrscht.

Gleichzeitig geht es etwa bei Vorwürfen der Vergewaltigung für den Beschuldigen um Alles: wird er schuldig gesprochen, ist eine Haftstrafe in den meisten Fällen unausweichlich. Es ist damit alternativlos, die Verteidigung in die Hände von Profis zu legen, die auf dem Gebiet über die nötige besondere Expertise verfügen, um die Chancen eines positiven Ausgangs zu maximieren.